Würdigung der DPV Vorsitzenden vom 11. November 2021:
Liebe KollegInnen und Kollegen, liebe Gäste, liebe Frau Barthel-Rösing, lieber Herr Dr. Rösing,
Es gibt einen freudigen und ehrenvollen Anlass, warum wir hier zusammen kommen:
Die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung und die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft verleihen heute gemeinsam zum 7. Mal den Sigmund-Freud-Kulturpreis. Preisträger ist der Bremer Filmemacher Dr. Wilhelm Rösing.
Der Sigmund-Freud-Kulturpreis wird alle zwei Jahre an Nicht-Psychoanalytiker vergeben, die in ihren künstlerischen Werken die Psychoanalyse in kreativ-kritischer Weise aufnehmen und verwenden. Ausgezeichnet werden Geistes- und Kulturwissenschaftler, Schriftsteller, Regisseure, bildende Künstler und Musiker, deren Schaffen die Bedeutung der Psychoanalyse neu beleuchtet.
Bisherige Preisträger sind der Religions- und Kulturphilosoph Christoph Türcke (2009), der Komponist und Musikwissenschaftler Dieter Schnebel (2011), die Kulturwissenschaftlerin und Filmemacherin Christina von Braun (2013), der Schriftsteller, Übersetzer und Essayist Georges-Arthur Goldschmidt (2015), der Philosoph Bernhard Waldenfels (2017) und der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch (2019).
Der diesjährige Preisträger Dr. Wilhelm Rösing zeichnet sich durch Filmdokumentationen aus, die von leiser und unaufdringlicher Kameraführung geprägt sind. Oft sind hier besondere Lebensgeschichten, die für sich und auch für die Epoche ihrer Zeit stehen, in Gestalt charaktervoller Protagonisten im Vordergrund. Die Gesichter der Schlüsselfiguren sind Kulisse, die Gestaltung der Porträts findet über Erzählen und Zuhören statt. Wilhelm Rösing – mehrere seiner Filme zeugen von der engen filmgestalterischen Zusammenarbeit mit seiner Frau Marita Barthel-Rösing -
konzentriert sich auf das Erfassen und die Reflexion der kulturellen, zeithistorischen und sozialen Bedingungen der Menschen, die er in unterschiedlichen Ländern kennenlernt und filmisch beschreibt. Einige der Filme von Wilhelm Rösing widmen sich Darstellungen der bewegenden Biographien angesehener Psychoanalytiker als Zeitzeugen des Nazi-Terrors , wie z.B. Hans Keilson in „Bis zur Umkehrbank – Hans Keilson erinnert sich“ (1995) oder Ernst Federn in „Überleben im Terror“ (1992); psychotherapeutisch-psychoanalytischen Institutionen, wie z.B. „Gründerjahre – Von der Bremer Nervenklinik zum Psychoanalytischen Institut Bremen“ (2011) oder in „Psychoanalytische Therapie für Kinder – Zur Geschichte des Anna-Freud-Instituts in Frankfurt“ (2013) und in „Pioneers of Group analysis“ (2017) gar bedeutsamen Bewegungen der psychoanalytischen Historie. Viele der gefilmten biographischen Erzählungen wirken wie Darstellung und Sichtbarmachung der psychoanalytischen Methodik. Geschichten werden erzählt, Bilder werden erfunden. Unvoreingenommenheit, Reflexion, Respekt vor den Schilderungen und gelebten Erinnerungen, Einfühlung in die individuellen Lebensäußerungen und die sie umgebenden Bedingungen zeichnen die Filme aus.
Lieber Herr Rösing, Sie haben diesen Kulturpreis längst verdient!
Lisa Werthmann-Resch (Vorsitzende der DPV)